NBC Universal: Einstieg in deutschen Produktionsmarkt?

  • NBC Universal: Einstieg in deutschen Produktionsmarkt?


    DWDL.de-Interview mit Michael Edelstein


    Es hat etwas gedauert, doch im nächsten Winter zeigt Vox "Gone", die erste Koproduktion von Mediengruppe RTL, TF1 und NBC Universal. Ein Gespräch mit Michael Edelstein, President von NBC Universal International Studios, über den Mehrwert internationaler Koproduktionen und einen möglichen Einstieg in Deutschland


    von Thomas Lückerath , Los Angeles
    13.06.2017 - 08:16 Uhr
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    NBC Universal ist eines der großen Hollywoodstudios. Welchen Mehrwert hat die Zusammenarbeit mit TF1 und der Mediengruppe RTL Deutschland für Sie?


    Unsere Vorteile sind die frühzeitige Sicherheit und eine neue Kundenansprache. Procedurals waren nie ganz aus der Mode, aber international im Rest der Welt oft stärker nachgefragt als in den USA. Also haben wir uns entschieden, zusammen mit internationalen Partnern zu produzieren, um ihre Wünsche zu bedienen. Aber wir machen die gleiche Art Serie, wie wir sie auch alleine produzieren würden.


    Gerade deswegen meine Einstiegsfrage.


    Sie müssen daran denken, dass sich programmliche Entscheidungen im US-Markt nach wie vor vor allem darauf konzentrieren, ob sie im eigenen Land funktionieren. „Funktioniert im US-Werbemarkt“ und „Lässt sich international verkaufen“ sind zwei Kriterien, die nicht immer zusammen gehen. Bei dieser Zusammenarbeit müssen wir jedoch nicht darauf achten, was richtig für das US-Publikum ist, sondern konnten mit TF1 und der Mediengruppe RTL etwas kreieren, wo es zunächst einmal darum ging, was für unsere Partner funktioniert.


    Die Partnerschaft mit TF1 und der Mediengruppe RTL Deutschland haben Sie vor zwei Jahren angekündigt. Was ist seitdem passiert?


    Eine ganze Menge, offensichtlich. Wir befinden uns derzeit in der Produktion unserer ersten Serie "Gone" und haben allerhand Scripts entwickelt. Wir mussten hier auch überdenken, wie Broadcaster außerhalb der USA ihren Zeitplan aufstellen. Die ticken anders als US-Sender in der Programmplanung und sie wiederum mussten erst einmal warm werden mit den US-Produktionsbedingungen, auch unseren Preisen und der Herausforderung, die gewünschten Schauspieler für ein Projekt zu gewinnen.


    Und deswegen hat es länger gedauert als gedacht?


    Ich würde nicht sagen, dass es viel länger gedauert hat, als gedacht. Dass wir die Serie machen, war schon länger klar. Es ist manchmal so banal: Wir wollten auf das richtige Wetter für den Dreh warten und hatten dann auch noch die Situation, dass unser Hauptdarsteller Chris Noth Zeit für die Produktion haben musste.


    Ihr selbstgestecktes Ziel bei der Bekanntgabe der Partnerschaft war es, drei Serien in zwei Jahren zu produzieren. Nach zwei Jahren ist die erste Serie gerade in Produktion.


    Es gibt viele Faktoren zu beachten. Ein Faktor, den wir so nicht berücksichtigt hatten, war die explosionsartig angestiegene Anzahl von Serienproduktionen, die in den Vereinigten Staaten kreative Kapazitäten gebunden hat. Die Suche nach Crews und Schauspieler dauerte länger. Da wir die Shows so machen wollen, wie wir sie uns vorstellen und sie nicht einfach schnell fertig machen möchten, hat es etwas länger gedauert.


    Reden wir über „Gone“: Was hat die Serienidee aus der Menge herausstechen lassen?


    Es ist wie bei jeder guten Serie am Anfang schlicht und einfach ein tolles Drehbuch und Matt Lopez hat ein großartiges geschrieben. Und wir haben dann mit etwas Geduld einen tollen Cast bekommen, der sich ebenso schnell durch das grandiose Drehbuch überzeugen ließ. Es gibt auch kein "wir hatten eigentlich jemand anderen im Kopf für Rolle XY“. Jeder im Team ist Wunschdarsteller. Es fühlte sich für uns einfach passend an. Wir sind der Überzeugung, dass „Gone“ der richtige Auftakt für unsere Zusammenarbeit ist.


    Was bringen die Mediengruppe RTL Deutschland und TF1 konkret in das Projekt ein?


    Budget, sehr viel Vertrauen in unsere operative Umsetzung und garantierte Sendefläche für die Serie. Die Zusammenarbeit ist eine Freude und sehr zuvorkommend.


    Sie haben viel Erfahrung mit internationaler Koproduktion. Ein Projekt von Ihnen - noch an anderer Wirkungsstätte- war „Defying Gravity“. Aus Deutschland war damals ProSiebenSat.1 dabei. Die Serie war ein Beispiel dafür, dass internationale Koproduktion nicht immer funktionieren…


    Was funktioniert schon immer? (lacht) Es war sehr schade, dass Fox Television Studios die Serie damals an ABC verkauft haben. Meine Partner und ich waren sehr betrübt. Es hat mir aber eine gute Lektion darin erteilt, wie man sein Material kontrollieren sollte. Damals war es einfach ein großer Fehler, Geschäfte mit Fox Television Studios zu machen. Bei der Serie ist nicht die internationale Koproduktion Schuld gewesen. Es hat bei ABC nicht funktioniert, sonst wäre es weitergegangen.


    "Defying Gravity" war noch eines der Beispiele dafür, dass bei einer internationalen Produktion jeweils ein Schauspieler aus jedem Land ins Projekt geschickt wurde. Das hat ja fast nie funktioniert.


    Nun ja, in “Defying Gravity" ging es um eine Geschichte auf der internationalen Raumstation. Die Voraussetzung für eine internationale Crew war damit ideal. Ich denke nicht, dass die Serie dadurch erfolgreicher oder schlechter wurde, weil z.B. aus Deutschland Florentine Lahme mit an Bord war. Wir casten unsere Schauspieler nicht nach dem Kriterium, wie viel Geld wir von einem bestimmten Co-Partner bekommen und wen sie gerne aus ihren eigenen Reihen schicken würden, sondern danach, wer die beste Option für die Rolle ist. Aber Sie haben Recht: Es gibt sogar heute noch einige internationale Koproduktionen, bei denen das Casting einfach gar keinen Sinn macht. Was ich deshalb so an TF1 und der Mediengruppe RTL Deutschland liebe: Sie wollen eine US-Serie und lassen uns machen. Ihre Aufgabe folgt nach der Produktion.


    Was meinen Sie?


    Jetzt geht es darum, wie gut die Serie in Deutschland und Frankreich promotet und platziert wird. Wir für unseren Teil haben unseren Partnern eine gute Serie versprochen - die wir meiner Meinung nach auf jeden Fall abliefern werden. Ich bin sehr glücklich, dass die RTL-Gruppe und TF1 auch ein gewisses Risiko mit dieser Produktion eingehen und etwas Neues wagen. Es ist etwas teurer als das, was sie sonst gewöhnt sind.


    Wer bestimmt, wann die Serie on air geht?


    Die Mediengruppe RTL Deutschland und TF1 kontrollieren ihren eigenen Zeitplan. In Deutschland plant Vox die Ausstrahlung im kommenden Winter. Es gibt zwar einige Gegebenheiten, auf die geachtet werden muss - etwa die rechtzeitige Entscheidung über eine zweite Staffel. Da müssen wir ja den Cast rechtzeitig für blocken, doch darüber sind sie sich völlig im Klaren. Wir vertrauen ihnen jedenfalls, dass sie die Serie in ihrem Land angemessen bewerben und auf dem richtigen Sendeplatz positionieren.


    Wie wichtig ist der deutsche Markt eigentlich für Sie, also NBC Universal International Studios?


    Ich denke, dass der deutsche und auch französische Markt schon immer wichtig für die amerikanischen Studios waren. Es sind große Märkte, die eine immense Anzahl von Zuschauern und Kunden bereithält.


    NBC Universal International Studios expandiert stetig. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, eine eigene Produktionsunit in Deutschland zu gründen oder zu übernehmen?


    Wir denken darüber nach auf dem deutschen Markt aktiv zu werden. Auf der anderen Seite ist es ziemlich schwierig, deutsche Fiktion in die Welt zu verkaufen. Das ist kein großes Geschäft. Das Gleiche gilt für französische Fiktion. Amerikanische Produktionen verkaufen sich hingegen leichter in eine Vielzahl von Territorien. Das gelingt den wenigsten deutschen Produktionen. Das muss man sich genau anschauen.


    Warner ist in den deutschen TV-Markt eingetreten, Sony war schon lange aktiv. Im deutschen Produktionsgeschäft spürt man eine Nervosität vor einer weiteren Konsolidierung.


    Warum? Wären Übernahmen denn etwas Schlechtes? Als ich 2010 Teil von NBC wurde, waren noch knapp 60% des Indie-Marktes lokal betrieben. Seitdem gab es eine Menge Übernahmen. Hat es den Menschen je geschadet? Ohne dieses Vorgehen hätte es kein Golden Age of British Television gegeben, "Downtown Abbey" wäre niemals entstanden. Entscheidend ist, dass nach Übernahmen nicht aus Prinzip alles anders gemacht wird. Wir setzen auf die Köpfe, die sich auskennen. Eine gute Übernahme ermöglicht statt zu verunsichern!


    Es gibt in Deutschland einfach viele kleine Produktionsfirmen, die sehr stolz auf ihre Unabhängigkeit sind!


    Dann sollten sie das Geld nicht nehmen und ihre Firma nicht verkaufen. Problem gelöst. Ich denke, es ist lediglich die Angst, die nervös macht. Ein amerikanischer Partner ist größer und einschüchternder, womit man erst einmal klar kommen muss.


    Quelle: dwdl.de